Lars Trebing / Aktivitäten / Schule / Literaturbericht GK 12 |
Diesen Literaturbericht (so heißt das in Baden-Württemberg – man könnte es auch als Hausarbeit bezeichnen) habe ich im Juni 1998 als Aufgabe für den Deutschunterricht (Grundkurs 12) am Spohn-Gymnasium Ravensburg verfaßt. Die eigentliche Ausführung auf gewöhnlichem Papier habe ich durch diese Web-Fassung ergänzt, da sich dadurch noch einige Verweise auf Hintergrundinformationen und ähnliches unterbringen ließen.
An ein paar Stellen habe ich Verweise zum Buchversand Amazon eingebaut, über die man verschiedene Ausgaben des Buches oder auch DVD-Videos direkt online bestellen kann. Für jeden Kauf, der über einen dieser Verweise stattfindet, erhalte ich im Rahmen des Amazon-Partnerprogramms eine Provision, die den Kaufpreis aber nicht erhöht. Ganz am Ende dieser Seite gibt es nochmal eine Zusammenstellung aller bei Amazon erhältlichen Ausgaben.
Selbstverständlich ist dieser Text – wie alle anderen Inhalte meiner Website auch – urheberrechtlich geschützt, und genauso selbstverständlich sind direkte Verknüpfungen »Links« zu dieser Seite erlaubt und sogar erwünscht (siehe auch Impressum).
Im Oktober 2002 ist mir bei normalen »Wartungsarbeiten« an dieser Seite eine recht interessante englischsprachige Site von der Lemieux-Bibliothek der Seattle University über den Weg gelaufen, die ich meinen Lesern hiermit nicht vorenthalten will.
Im Mai 2002 habe ich die Web-Fassung dieses Literaturberichts komplett umgebaut und ein paar kleine Aktualisierungen und Korrekturen durchgeführt.
Am 23. März 2000 kam eine gleichnamige Verfilmung dieses Romans in die deutschen Kinos. Ich selbst habe sie zwar noch nicht gesehen und kann deswegen nicht viel dazu sagen, aber ich verweise jetzt einfach mal auf einen kurzen Bericht sowie auf ein Interview mit dem Regisseur Scott Hicks, die ich beide bei Spiegel Online gefunden habe.
Eine DVD- und eine VHS-Video-Ausgabe dieses Films kann in der Rubrik »Amazon-Bestellungen« am Ende dieser Seite bestellt werden.
Neben einer sehr genauen Beschreibung des Lebens auf der Insel San Piedro geht es in David Gutersons »Schnee, der auf Zedern fällt« vor allem um das Verhältnis der Amerikaner, die ja selbst alle bis auf die verdrängten Ureinwohner in den letzten paar Jahrhunderten besonders aus Europa eingewandert sind, zu ihren Mitmenschen asiatischer Abstammung. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten leiden diese nämlich genauso wie die Afrikaner und die meisten anderen Menschen, die sich äußerlich von Europäern unterscheiden unter dem Rassismus, dem jene Möglichkeiten offensichtlich auch nicht gewachsen sind. Besonders deutlich wurde dieser Rassismus im Zweiten Weltkrieg: Am 7. Dezember 1941 wurde der amerikanische Flottenstützpunkt Pearl Harbor im Pazifik von japanischen Flugzeugen überfallen und viele Schiffe versenkt, auch wenn die Pazifikflotte dadurch nicht vollständig vernichtet wurde. Der Haß gegen die Japaner, der sich in den 50 Jahren davor ohnehin schon aufgebaut hatte, explodierte förmlich und führte Ende März ’42 zur Deportation aller Einwohner japanischer Abstammung vom Westen Amerikas in weiter östlich gelegene Lager, da man sie der Spionage und Beihilfe für Japan verdächtigte. Wie wenig dieser Verdacht allerdings mit der Wirklichkeit zu tun hatte, wird daran deutlich, daß während des gesamten Zweiten Weltkriegs keine einzige in Amerika lebende Person japanischer Abstammung wegen Spionage oder Sabotage verurteilt wurde.
Der Schriftsteller David Guterson wurde 1956 in Seattle im Nordwesten der USA geboren. Er studierte dort an der University of Washington unter dem Schriftsteller Charles Johnson. Nach seinem Abschluß zog er auf Bainbridge Island, eine Insel, die in der Bucht Puget Sound direkt vor Seattle liegt. Er wurde Englischlehrer an der dortigen High School und schrieb für die Zeitschriften »Sports Illustrated« und »Harper’s Magazine«. Er veröffentlichte 1989 die Kurzgeschichtensammlung »The Country Ahead of Us, the Country Behind« (»Das Land vor uns, das Land hinter uns«, Berlin-Verlag 1997) und 1992 das Buch »Family Matters: Why Homeschooling Makes Sense«, in dem er erläutert, warum er seine vier Kinder selbst unterrichtet, anstatt sie in die Schule zu schicken.
Sein bislang größter Erfolg gelang ihm aber erst 1994 mit dem Roman »Snow Falling on Cedars«, für den er 1995 mit dem PEN/Faulkner Award ausgezeichnet wurde. Die deutsche Übersetzung erschien 1996 im »Berlin-Verlag« und ist seit Februar 1998 auch als Taschenbuch vom BTB-Verlag erhältlich.
Die fiktive Insel San Piedro im Puget Sound zählt in den 50er Jahren rund 5000 Einwohner, die hauptsächlich vom Export von Lachs und Erdbeeren leben. Als die Lachsfischer am 15. 9. ’54 abends aus dem Hafen von Amity Harbor, der einzigen Stadt auf der Insel, auslaufen, herrscht sehr dichter Nebel. Unter den Fischern sind auch der aus Bayern stammende Carl Heine sowie Kabuo Miyamoto, dessen Eltern Japan um die Jahrhundertwende verließen.
Carls Eltern Carl und Etta besaßen vor dem Zweiten Weltkrieg auf der Insel eine große Erdbeerfarm und beschäftigten dort viele Japaner, unter anderem auch Kabuos Vater Zenhichi mit seiner Familie. Carl senior hatte mit Zenhichi einen Pachtkaufvertrag über sieben Morgen seines Landes getroffen, die Zenhichi bis 1942 in 16 halbjährlichen Raten bezahlen sollte. Die beiden letzten Raten wurden aber nicht bezahlt – dreieinhalb Monate nach dem Überfall Japans auf den amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Harbor im Pazifik waren alle Japaner von der Insel evakuiert und in ein Lager in Kalifornien verfrachtet worden. Als Ettas Mann Carl Ende 1944 starb, verkaufte sie die Farm einschließlich jener sieben Morgen – ohne den Vertrag mit Zenhichi auch nur zu erwähnen –, schickte Zenhichi das bisher bezahlte Geld ohne Berücksichtigung der Wertsteigerung des Grundstücks zurück und zog in eine Wohnung in Amity Harbor um.
Nach dem Krieg kam Kabuo zu ihr, um mit ihr über die Angelegenheit zu reden, erreichte aber nur, daß Etta ihm gegenüber mißtrauisch wurde und glaubte, er plane womöglich einen Racheakt. Sowohl Kabuo als auch Carl wurden Lachsfischer und hofften aber, möglichst bald wieder auf die Erdbeerzucht umsteigen zu können.
Als dann zehn Jahre später der Eigentümer einen schweren Schlaganfall erlitt und die Farm zum Verkauf anbot, kamen am selben Tag Carl und Kabuo nacheinander zu ihm, aber den Zuschlag erhielt Carl, weil er als erster da war. Kabuo besuchte Carl und fragte ihn, ob er ihm zumindest »seine« sieben Morgen verkaufen wolle; Carl war aber noch nicht ganz überzeugt und sagte, er wolle es sich noch überlegen.
Da kommt es Kabuo gerade recht, daß er in jener nebligen Nacht Carl begegnet und ihm helfen muß, weil sein Boot nicht mehr anspringt. Sie legen aneinander an, und Kabuo leiht Carl eine Ersatzbatterie. Kurz nachdem sie sich getrennt haben, fährt ein großer Frachter – die S. S. West Corona – durch die Bucht, und Carl klettert auf seinen Mast, um die dort notdürftig angebrachte Kerosinlampe wieder abzuhängen – er befürchtet nämlich, sie könne wegen der Bugwelle des Frachters kaputtgehen. Leider ist er dabei ein wenig zu langsam, und die Bugwelle bringt seinen Kutter so stark zum Schwanken, daß er vom Mast herunterfällt. Er stürzt mit dem Kopf so auf den Rand des Bootes, daß er sich seinen Schädel bricht, geht dann über Bord, verfängt sich im Netz und ertrinkt. Weil seine Uhr um 1.47 Uhr stehenbleibt, kann man später leicht nachvollziehen, wann er ertrunken ist.
Am nächsten Vormittag fährt Bezirkssheriff Art Moran mit seinem Hilfssheriff zu Carls Boot aus; sie finden Carl erst, als sie das Netz einholen. Den zuständigen Coroner erinnert die Wunde an Carls Kopf an den japanischen Kendo-Stockkampf; deswegen gehen die beiden Sheriffs auf die Suche nach einem Japaner, der Carl ermordet haben könnte. Der Verdacht fällt auf Kabuo und erhärtet sich noch, als bei der Durchsuchung seines Boots ein blutiges Gaff gefunden wird – Carl hat damit seinen Batterieschacht zurechtgebogen, weil Kabuos Batterie etwas zu groß war, und hat sich dabei leicht verletzt. Der Mordprozeß, der drei Monate später stattfindet, wird erst während der Beratung der Geschworenen abgebrochen, als Ishmael Chambers, Redakteur und Inhaber der einzigen Zeitung auf der Insel, das Protokoll der Küstenwache aus jener Nacht vorlegt, das er am Tag zuvor bei vom Mordprozeß unabhängigen Recherchen in deren Archiv gefunden hat. Darin ist verzeichnet, daß um 1.42 Uhr die »Corona« die Bucht durchfuhr – und die Gefährlichkeit großer Bugwellen ist den Inselbewohnern bekannt. Die Funker, die diese Notizen gemacht hatten, waren noch am Morgen nach dem Unglück an einen anderen Ort versetzt worden und hatten ihre Aufzeichnungen dann abgeheftet – bis Ishmael dann zufällig auf die Idee kam, er könnte hier vielleicht wichtige Beweise finden.
Guterson setzt in seinem Roman mehrere Schwerpunkte. Zum einen macht er die Problematik der Japaner in den USA deutlich, die den Rassismus ihnen gegenüber in jener Zeit teilweise noch sehr stark zu spüren bekamen. Obwohl viele von ihnen schon in zweiter oder sogar dritter Generation in Amerika lebten und daher die amerikanische Staatszugehörigkeit hatten, waren sie den »echten« – also den europäischen – Amerikanern immer verhaßt. Teilweise äußerte man die Befürchtung, die Japaner würden Amerika überschwemmen und mit ihren Fähigkeiten letztendlich die bisherigen Einwohner verdrängen – in Wirklichkeit kamen nur knapp 2 Prozent der Einwanderer in jener Zeit aus Japan. Teilweise lag es wohl auch am Wesen der Japaner – die Amerikaner waren im Umgang mit ihnen verunsichert, da sie sie nicht verstanden und nicht wußten, was in ihnen vorging. Im Roman ist sehr oft die Rede von Japanern, deren unverständlicher und überlegen erscheinender Gesichtsausdruck die Mitbürger fast zur Verzweiflung treibt. Auf diese Weise wird zum Beispiel Carls Mutter Etta mißtrauisch und fürchtet, Kabuo sinne auf Rache dafür, daß er das Grundstück nicht bekomme – nach Carls Tod ist die Sache für sie eindeutig. Auch das Bündnis Japans mit Deutschland im Zweiten Weltkrieg trug sicherlich zu dieser Feindschaft innerhalb des Landes bei; aber gegen Mitbürger deutscher Abstammung beispielsweise gab es bei weitem nichts Vergleichbares.
Zum anderen gibt der Roman auch einen umfassenden Einblick in das Leben auf San Piedro. Persönliche Beziehungen werden sehr detailliert und vollständig ausgeführt, ebenso die Gemütsbewegungen der einzelnen Personen. Insbesondere die frühere Beziehung von Ishmael Chambers zu Hatsue Imada (also vor ihrer Heirat mit Kabuo Miyamoto) wird – in vielen Rückblenden über das gesamte Buch verteilt – sehr genau erzählt. In ihrer Kindheit verbrachten sie sehr viel Zeit miteinander unter anderem am Strand; eine »richtige« Liebesbeziehung scheiterte aber stets an Hatsues Bedenken, die sie vor allem von ihrer Mutter und von ihrer japanischen Erzieherin hatte. Man erfährt auch sehr viel über mehr oder weniger regelmäßige, heimliche Treffen und insbesondere auch gelegentliche sexuelle Kontakte in einer gewissen hohlen Zeder, die innerhalb des Romans zentrale Bedeutung besitzt. Auch die endgültige Wende in der Beziehung wird genau beschrieben: Während des Krieges, in dem Lager, in das die Imadas deportiert werden, fliegt die Sache auf, da eine von Hatsues Schwestern aus Neugier einen Brief von Ishmael an Hatsue – mit falscher Absenderangabe – öffnet und wegen des brisanten Inhalts anschließend der Mutter zeigt. Fast gleichzeitig gewinnt Kabuo Miyamoto, der ebenfalls in diesem Lager ist, die Gunst von Hatsues Mutter; die Heirat findet noch im selben Lager statt, kurz bevor Kabuo für die Staaten in den Krieg zieht. Ishmael, der ebenfalls für Amerika kämpft, muß der linke Arm amputiert werden, nachdem er bei einer Schlacht einen Schuß abbekam; der irrationale Haß, den er daraus entwickelt und entgegen seiner Vernunftbetontheit bald auf alle Japaner (»Scheißjapse«) überträgt, flaut erst im Laufe der Jahre sehr langsam wieder ab; er nimmt dies allerdings bewußt in Kauf.
Nach der Lektüre des Romans weiß man beispielsweise auch recht genau über die Autos verschiedener Personen Bescheid oder über die technischen Daten des Leuchtturms.
Zu den wichtigsten Personen innerhalb des Romans zählt Ishmael Chambers, obwohl er mit dem eigentlichen Geschehen, also dem Tod Carl Heines und der Vorgeschichte, die auch zum Mordprozeß führt, an sich nichts zu tun hat. Dafür steht er bei der Erzählung sehr oft im Mittelpunkt und führt gleichsam durch die Handlung.
Sein Vater Arthur Chambers, der schon seit einigen Jahren tot ist, arbeitete in seiner Jugend als Holzfäller und gründete dann die »San Piedro Review«, die er bei seinem Einzug in den Ersten Weltkrieg unterbrechen mußte. Nach dem Krieg heiratete er; Ishmael ist Einzelkind. Arthur wird beschrieben als ein sehr gewissenhafter und zufriedener Mensch, der seine Freizeit größtenteils in die Pflege seiner Maulbeerhecken investiert. Von ihm hat Ishmael die Zeitung geerbt.
Die Familie der Heines läßt sich nicht sehr weit zurückverfolgen. Etta Heine, eine energische Frau, die auch bei ihrer Aussage im Prozeß mit teilweise kräftigen Formulierungen auftritt, ist aus Bayern eingewandert und steht im Grunde völlig im Gegensatz zu Carl Heine senior. Der kann sich kaum etwas Schöneres vorstellen als seine Erdbeerfarm, stimmt dem Verkauf eines Teils des Grundstücks aber dennoch und trotz starker Bedenken seiner Frau zu, da er ihren Haß und ihr Mißtrauen gegenüber den Japanern nicht teilt, sondern es mit seinen japanischen Arbeitern im Gegenteil sehr gut meint und Wert darauf legt, sie immer korrekt zu behandeln. Aus dem Gegensatz zwischen den beiden Eheleuten erklärt sich auch der überraschende Verkauf der gesamten Farm an Ole Jurgensen, da Etta es nach dem Tod ihres Mannes als ihre Aufgabe ansieht, erst einmal Ordnung zu schaffen.
Carl Heine junior wird geradezu urig dargestellt als wuchtiger Fischer mit rostrotem Vollbart, der seinen Beruf vor allem deswegen ausübt, weil er eines Tages mit seinen Ersparnissen wieder eine Erdbeerfarm kaufen will. Sein Verhältnis zu den Japanern ist eine Mischung aus der Gutmütigkeit seines Vaters und der Abneigung seiner Mutter. Seinen Kutter hat er benannt nach seiner Frau Susan Marie Heine, die mit ihrer Attraktivität beinahe jeden Mann beherrschen kann und sich ihren Mann deswegen leicht aussuchen konnte. Die Beziehung zwischen ihnen bleibt aber eher oberflächlich.
Hatsues Vater Hisao Imada ist einer derjenigen, die nach der Jahrhundertwende aus Japan einwanderten und auf Erdbeerfarmen arbeiteten. Er hatte keine Frau und keine Kinder, und deswegen machte er es genauso wie viele anderen japanischen Männer in Amerika: Er schrieb einen Brief nach Hause, in dem er erzählte, er sei reich und wohlhabend und habe eine große Farm aufgebaut, nun fehle nur noch eine Frau. Die kam dann auch tatsächlich über den Ozean: Fujiko Shibayama war aber anfangs gar nicht so angetan von der tatsächlichen Lage ihres Mannes, und es brauchte einige Zeit, bis sie sich damit abgefunden hatte und Kinder bekam. Die erste Tochter, Hatsue Imada – ihre Geschwister spielen im Roman so gut wie keine Rolle –, hat, wie schon erwähnt, lange Zeit eine mehr oder weniger intensive Beziehung mit Ishmael, die sie aber so lange als möglich zu verheimlichen sucht. Von ihrer Mutter wird sie als Kind zu Mrs. Shigemura geschickt, von der sie japanische Ideale vermittelt bekommt – die eben auch den Kontakt zu einem Weißen wie Ishmael verbieten.
Die Heirat mit Kabuo Miyamoto paßt mit diesen Idealen dagegen wunderbar zusammen. Kabuo hat von seinem Vater Zenhichi Miyamoto unter anderem die Kunst des »kendo«-Stockkampfs gelernt, die er technisch zwar etwas weniger gut beherrscht als sein Vater, aber wegen seines stärker ausgeprägten Kampfgeistes ist er ihm darin nach einiger Zeit dennoch überlegen. Die Familie Miyamoto ist eine Samurai-Familie; Kabuos Urgroßvater hatte sich der »Liga des Göttlichen Sturms« angeschlossen – rund 200 Samurai, die aus Protest gegen die Meiji-Reformen unter dem Kaiser Mutsuhito ab 1867 (diese Reformen verboten unter anderem das Tragen von Schwertern) eine kaiserliche Garnison mit ihren Schwertern angriffen, wobei die meisten bei der ersten Gewehrsalve getötet wurden; Kabuos Urgroßvater war unter den 29 Überlebenden, die aber Selbstmord begingen.
Der Sheriff Art Moran wird nicht als übermäßig schlau dargestellt. Er ist eben ein pflichtbewußter Sheriff, dem es allerdings wohl nicht gelungen ist, sich von den Vorurteilen gegenüber den Japanern ausreichend zu distanzieren. Bei der Untersuchung der Leiche durch den Coroner Horace Whaley spielt sich folgender Dialog ab:
Art Moran rieb sich heftig über den Mund und starrte Horace Whaley an. »Diese Kopfwunde«, sagte er, »diese Kopfwunde ist doch irgendwie … merkwürdig, oder?«
Horace Whaley nickte. »Kann schon sein«, sagte er.
»Könnte ihm vielleicht jemand einen Schlag versetzt haben?« fragte der Sheriff. »Ist das eine Möglichkeit?«
»Wollen Sie Sherlock Holmes spielen?« fragte Horace. »Wollen Sie Detektiv spielen?«
»Eigentlich nicht. Aber Sherlock Holmes ist nicht hier, oder? Und die Wunde an Carls Kopf ist es schon.«
»Das stimmt«, sagte Horace. »Soweit haben Sie recht.«
Daß Art sich durch Horaces spöttischen Vergleich mit Sherlock Holmes nicht aus dem Konzept bringen läßt und unverzüglich die Suche »nach einem rechtshändigen Japs mit blutigem Gewehrkolben« aufnimmt, weist wohl auf seine Zugänglichkeit für gewisse Vorurteile hin.
»Schnee, der auf Zedern fällt« ist in 32 Kapitel aufgeteilt. Am Anfang der Kapitel wird meistens ein mehr oder weniger großer gedanklicher Sprung vorgenommen. Teilweise entspricht jedem Kapitel eine Zeugenaussage im Prozeß. Die »Lösung« zeichnet sich schon am Ende des 23. Kapitels ab, in dem Ishmael das im Leuchtturm untergebrachte Archiv der Küstenwache durchstöbert – ursprünglich ging es ihm darum, für seine Zeitung zu recherchieren, wann es ähnliche starke Schneestürme gab wie den während des Prozesses, der unter anderem dazu führt, daß die meisten Autos in Straßengräben liegen und daß wegen eines Stromausfalls die Heizung im Gericht genauso wie die Beleuchtung nicht funktioniert. Mehrere umstürzende Bäume haben nämlich Strom- und Telefonleitungen an verschiedenen Stellen gekappt.
Während seiner Recherchen kommt er aber auf die Idee, die Funkprotokolle aus der Nacht zum 16. September herauszusuchen, und stößt dabei tatsächlich auf den Beweis: In diesen Protokollen steht nämlich, »daß in der Nacht, in der Carl Heine ertrunken war – deshalb war seine Uhr um 1 Uhr 47 stehengeblieben –, ein Frachter um 1 Uhr 42 durch die Fischgründe von Ship Channel Bank gepflügt war – genau fünf Minuten vorher – und ohne Zweifel eine Bugwelle aufgeworfen hatte, die leicht ein kleines Lachsfischerboot in Schwierigkeiten bringen und auch einen starken Mann über Bord werfen konnte.«
Diese Erkenntnis behält Ishmael aber noch eine Weile lang für sich – er läßt sich auch gegenüber seiner Mutter nichts anmerken, die er gleich in Kapitel 24 besucht. In den folgenden sechs Kapiteln wird der Ablauf des dritten Prozeßtages geschildert, an dessen Ende die Geschworenen sich zurückziehen. Sie sollen zu einer einstimmigen über alle Zweifel erhabenen Entscheidung kommen, aber da ein einziger unter ihnen, der Bootsbauer Alexander Van Ness, diese Zweifel eben nicht ganz loswerden kann, zieht sich die Beratung länger hin, und der Beschluß wird auf den nächsten Tag verschoben. Da tritt Ishmael mit der Funknotiz auf. Frühmorgens kommt er damit zum Sheriff, um noch vor der Fortsetzung des Prozesses Carls Boot nochmals zu untersuchen. Das gelingt, und bald später wird der Prozeß abgebrochen und Kabuo aus der Untersuchungshaft entlassen.
Mit »Schnee, der auf Zedern fällt« gelang David Guterson sein bislang weitaus größter Erfolg. Besonders durch den PEN/Faulkner Award, den er hierfür bekam, konnte er sich erstmals nennenswert auf dem amerikanischen Literaturmarkt behaupten – ganz zu schweigen von Europa, wo man bisher noch gar nichts von ihm gehört hatte. Ob und inwiefern Guterson mit seinem Werk auch zu literaturgeschichtlicher Bedeutung kommen wird, bleibt abzuwarten.
Auch wenn das Problem des Rassismus bisher noch lange nicht behoben ist, so hält sich die aktuelle Bedeutung doch eher im Rahmen. Die detaillierte und oft idyllische Erzählweise erzeugt gemeinsam mit der zeitliche Entfernung zwischen 1954 und heute eine gewisse Distanz, die alles gewissermaßen »halb so schlimm« erscheinen läßt.
David Guterson, Schnee, der auf Zedern fällt, Deutsch von Christa Krüger, Berlin-Verlag 1995, 511 Seiten, 24 €, ISBN 3-8270-0183-8
Addison Public Library Reader’s Corner, David Guterson: Snow Falling on Cedars
Nachfolgend habe ich nochmal die wichtigsten Ausgaben dieses Buches zusammengestellt; die Verweise führen zu einer direkten Bestellmöglichkeit, bei der ich jeweils 15 Prozent des (unveränderten) Kaufpreises bekomme.
Außerdem gibt es bei Amazon auch die bei den aktuellen Ergänzungen erwähnte Verfilmung (Regisseur: Scott Hicks). Die DVD-Video-Ausgabe (mit deutscher und englischer Tonspur) kostet 7,97 €, die VHS-Video-Version 4,99 €.