Krombacher-WWF-»Regenwaldprojekt«
»Tue ein kleines bißchen Gutes und rede so darüber, daß es wirklich jeder in Deutschland mitbekommt«: Warum das Krombacher-»Projekt« zum Himmel stinkt.
Das alte Regenwaldprojekt (2002/03): Ein Kasten, ein Quadratmeter
Vom 25. April bis zum 31. Juli 2002 und vom 25. April bis zum 31. Juli 2003 führte die Krombacher Brauerei Bernhard Schadeberg GmbH & Co. KG die ersten beiden Runden ihres Regenwaldprojekts durch. Die »Spielregeln« waren folgendermaßen:
- Der WWF erhält pro Kasten Bier (10 Liter, Kaufpreis ohne Pfand ab etwa 11,50 Euro), den die Brauerei während des jeweiligen Aktionszeitraums verkauft, eine Spende; mit dieser wird ein Quadratmeter Regenwald im Dzanga-Sangha-Gebiet in Zentralafrika nachhaltig (für die nächsten 100 Jahre) geschützt. Außerdem gilt: Für jedes 50- bzw. 30-Liter-Faß werden fünf bzw. drei Quadratmeter, für ein 11-Liter-»Frische-Faß« ein Quadratmeter geschützt. (Der Vollständigkeit halber: Im Sommer 2002 gab es das »Frische-Faß« noch nicht; außerdem wurden pro 30-Liter-Faß nur zwei Quadratmeter geschützt.)
- Das Projekt wird jeweils insbesondere im Fernsehen intensiv beworben. Die Werbespots werden seit Beginn des Projekts vom beliebten »Wer wird Millionär«-Moderator Günther Jauch gesprochen.
Am Ende des ersten Durchganges erhielt der WWF eine Million Euro von der Brauerei und garantierte für den Schutz von 15 129 378 Quadratmetern des besagten Regenwaldes.
Für den zweiten Durchgang (2003) hatte man sich noch höhere Ziele gesteckt: Es wurden eine Spende von zwei Millionen Euro und der Schutz von 25 Millionen Quadratmetern angestrebt. Um dieses »ehrgeizige« Ziel zu erreichen, wurde die ganze Sache noch leicht erweitert (wie auch in einer Pressemitteilung mit dem interessanten Titel »Neu … Neu … Neu … Neu … Neu … Neu … Neu … Neu … Neu …« beschrieben):
- Neben der Krombacher Brauerei, dem WWF und dem Fernsehsender RTL (dort wurden die Werbespots gezeigt) waren jetzt drei weitere Unternehmen beteiligt: Die Fluggesellschaft LTU steuerte pro Flugpassagier eine Spende für einen Quadratmeter bei, die Kinogesellschaft Cinestar zeigte vor jedem Film einen Werbespot und veranstaltete sogenannte Regenwald-Parties, und der Web-Verzeichnis- und E-Mail-Anbieter »web.de« garantierte pro E-Mail-Adresse, die dort (kostenlos) neu angelegt wurde, für den Schutz eines Quadratmeters Regenwald.
- Geworben wurde nun auch noch mit der »WWF-Botschafterin« Steffi Graf, die in den Werbespots verhängnisvollerweise auch noch selbst zu Wort kam. Ausgewählt wurde die Frau, die besser beim Tennis hätte bleiben sollen, für diesen Posten, weil sie in einer merkwürdigen GEWIS-Umfrage als glaubwürdigste Frau Deutschlands und größtes Vorbild der Deutschen ermittelt wurde.
- Die Werbespots wurden nicht mehr nur auf RTL, sondern zusätzlich auch auf Pro 7 und Sat 1 gesendet.
- Um das Projekt »unabhängig zu machen«, wurde von Krombacher und WWF die Sangha-Regenwald-Stiftung gegründet, dessen Beirat für die konkrete Verwendung der Finanzmittel zuständig ist und die zudem auch direkte Spenden annimmt.
- Wegen der rechtlichen Probleme, die beim ersten Durchgang entstanden waren, wurde das Projekt diesmal angeblich transparenter gestaltet: Laut der Brauerei kann man sich jetzt umfassend über das Projekt und den aktuellen Spendenstand informieren, indem man sich an die speziell eingerichtete »Spenden-Hotline« (Telefon +49 2732 880-100) wendet.
Auch dieses Mal wurden die Erwartungen übertroffen: Weitere 29 653 154 Quadratmeter konnten laut der Pressemitteilung zum Ende des Projekts 2003 geschützt werden.
Das neue Regenwaldprojekt (2004): Schluß mit »Saufen für den Regenwald«
Beim dritten Anlauf (30. April bis 30. Juni 2004) ist den Krombacher-Verantwortlichen das Problem mit den Wettbewerbshütern wohl doch zu heiß geworden. Diesmal lautete der Spruch »Sie genießen, wir spenden«: Die Kopplung zwischen Verkauf und Spende wurde aufgehoben und eine pauschale Spende von 500 000 Euro an den WWF angekündigt. Wie man nach den eigenen Millionenspenden der beiden letzten Jahre auf die Idee kam, dies als die größte Spende der deutschen Brauwirtschaft in den letzten Jahren zu bezeichnen, ist mir allerdings nicht ganz klar geworden. Gleichzeitig zog sich Günther Jauch aus diesem Projekt zurück, da die Werbung diesmal hauptsächlich im Radio gesendet wurde und Jauch sich selbst als Fernsehmensch versteht.
Klingt doch alles ganz lobenswert. Wozu die Aufregung?
Nun – im Grunde scheint das Ganze in den ersten beiden Jahren nur aus einem Grund funktioniert zu haben: Zahlen ab einer Million wirken auf den Normalverbraucher unvorstellbar groß. Dabei läßt sich die Geschichte doch so wundervoll entzaubern:
- Eine Million Quadratmeter ist ein Quadratkilometer. Die bei den beiden Durchgängen insgesamt geschützten 44 Millionen Quadratmeter sind 44 Quadratkilometer. Zum Vergleich:
- Das Stadtgebiet von Kreuztal – dem nordrhein-westfälischen 32 000-Seelen-Städtchen, in dessen Ortsteil Krombach besagtes Bier hergestellt wird, erstreckt sich über 71 Quadratkilometer. Der Durchmesser dieses Stadtgebiets beträgt gerade mal elf bis zwölf Kilometer.
- Die Bundesrepublik Deutschland, die im Vergleich zu den Regenwäldern der Erde immer noch lächerlich klein ist, bringt es schon auf über 350 000 Quadratkilometer, also das 7950fache der vom Krombacher-Projekt angestrebten Fläche.
- Laut WWF werden allein in Afrika jährlich 40 000 Quadratkilometer Regenwald zerstört – also das 910fache der beim Krombacher-Projekt im Laufe von zwei Jahren geschützten Fläche. Rein rechnerisch müßte der Krombacher-Verbrauch also auf das 1820fache steigen, um sich zumindest genauso schnell auszubreiten wie die Zerstörung des Regenwaldes (ganz abgesehen davon, daß diese dann wohl einfach auf die jeweils noch nicht geschützten Bereiche ausweichen würde). Auch wenn die »Regenwald-Rettungsaktion« ganzjährig statt nur drei Monate jährlich durchgeführt würde, wäre immer noch fast eine Verfünfhundertfachung notwendig. Ganz zu schweigen von den Regenwäldern Südamerikas und anderer Kontinente …
- Die amerikanische Rockband Pearl Jam hat ein 1400 Quadratmeilen (knapp 3600 Quadratkilometer) großes Stück Regenwald auf der südafrikanischen Insel Madagaskar gekauft, um den Kohlendioxidausstoß ihrer laufenden Welttournee (bzw. laut der Spiegel-Meldung das 2500fache davon) auszugleichen. Das ist ungefähr das Achtfache der Fläche, die das Krombacher-Projekt nach dem zweiten Durchgang geschützt haben wird – und gleichzeitig ist es der Band gerade mal einen recht unscheinbaren Satz auf ihrer Kohlendioxid-Seite »wert«.
- Was die Spenden von einer bzw. zwei Millionen Euro betrifft: Die Krombacher Brauerei hat 2002 nach einer Umsatzsteigerung von 8,1 % und einer Absatzsteigerung von 3,7 % den höchsten Ausstoß ihrer Geschichte erzielt: 4,865 Millionen Hektoliter – das entspricht über 48 Millionen Kästen bzw. 1,44 Milliarden 0,33-Liter-Flaschen Bier. Laut einem Handelsblatt-Artikel von Mai 2003 führte das zu einem Jahresumsatz von 460 Millionen Euro und einem jährlichen Werbeetat von 50 Millionen Euro – von denen allein zehn Millionen in Regenwald-Projekt-Selbstbeweihräucherung flossen. Und es geht weiter: Im ersten Halbjahr 2003 stieg der Absatz gegenüber dem entsprechenden Zeitraum des Rekord-Vorjahres nochmals um 7,4 Prozent, während der Gesamtmarkt im ersten Jahresdrittel einen Rückgang von fast zehn Prozent verzeichnete. Der Juni 2003 (also der Regenwaldprojekt-Monat) war nach eigenen Angaben wiederum der stärkste Monat in der Geschichte der Brauerei. Krombacher hat vor einiger Zeit der größten Konkurrentin Warsteiner die Marktführerschaft abgerungen und baut diesen Vorsprung immer weiter aus. Und nun rühmt man sich aufs lauteste, eine bzw. zwei Millionen an den WWF gespendet zu haben.
- Andersherum gerechnet: Bei 15 Millionen Kästen und einer Million Euro hat die Brauerei während der Aktion 2002 gerade mal 6,7 Cent pro Kasten abgedrückt. Gleichzeitig hat sie während dieser drei Monate fast 15 Prozent (1,94 Millionen Kästen) mehr Bier verkauft als im Jahresmittel. Für 2003 liegen mir bisher noch keine entsprechenden Zahlen vor, da in das Gesamtergebnis (29 Quadratkilometer, 2 Millionen Euro) auch die Anteile der anderen Projektteilnehmer einflossen. (Soviel übrigens zur Behauptung, das Projekt sei 2003 transparenter geworden als 2002. Völliger Unfug!)
- Apropos andere Projektteilnehmer: Restlos hirnverbrannt wird das Ganze bei der LTU-Beteiligung. Die 8-Cent-Spende ist im Verhältnis (wenn man dieses Wort hier überhaupt noch anwenden darf) zum Preis einer Flugreise nicht einmal mehr meßbar und wird angesichts der Tatsache, daß der Preis von Flugreisen dank steuerfreiem Flugbenzin viel zu billig im Verhältnis zum dadurch bedingten ökologischen Schaden ist, völlig absurd.
An der neuen Form des Regenwaldprojekts gibt es aus meiner Sicht nichts mehr zu bemängeln, außer vielleicht daß auch diesmal die Spende und die Kosten für die Bekanntmachung derselben vermutlich in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.
Dementsprechend werde ich, sofern nicht in Zukunft (nach Abschluß der juristischen Auseinandersetzungen?) das »ein Kasten, ein Quadratmeter«-Prinzip wieder ausgegraben wird, künftige Krombacher-Regenwald-Projekte hier nicht mehr kritisieren.
Schlußfolgerung
Die ganze Aktion hilft dem Regenwald geradezu lächerlich wenig, während sie andererseits die neu erworbene Position der Krombacher Brauerei als größter Brauerei Deutschlands festigt – und das Ganze mit dem »guten Namen« WWF drauf und dem guten Gewissen für den Endverbraucher, der Natur vermeintlich sehr zu helfen. Dabei könnte er mit einer Spende von 11,50 Euro soviel Regenwald schützen wie mit über 150 Kästen Krombacher Bier und würde gleichzeitig die Gefahr vorzeitigen Leberversagens meiden.
Ich habe für mich zwei Konsequenzen aus diesem endlos aufgeblasenen Marketing-Gag gezogen:
- Kein Krombacher Bier kaufen. Einziges Problem: Ich als »Wahlmünchner« wäre höchstwahrscheinlich sowieso nie in meinem Leben auf die aberwitzige Idee gekommen, nordrhein-westfälisches »Bier« zu trinken, also ist meine Kaufenthaltung wohl wirkungslos.
- Keine Unterstützung für »gemeinnützige« Organisationen, die sich in derart ekelhafter Weise für Wirtschaftsunternehmen prostituieren. Glücklicherweise habe ich meine WWF-Mitgliedschaft bereits vor einiger Zeit wieder beendet; ich habe aber noch die Absicht, dem WWF ausdrücklich mitzuteilen, daß und warum ich nicht die Absicht habe, ihn jemals wieder zu unterstützen.
Stattdessen ist dem Regenwald bzw. dem weltweiten Ökosystem sehr viel mehr geholfen, wenn der eine oder andere vielleicht mal den Gegenwert eines Kastens oder auch nur einer Flasche Bier an eine Organisation spendet, die den Erhalt der Natur ernstnimmt und auf sinnvolle Art fördert, statt ihn nur groß auf ihre Fahnen zu schreiben. Meiner persönlichen Einschätzung nach kommen hier zum Beispiel der BUND und – wenn es speziell um den Regenwald geht – der »GEO«-Regenwaldverein in Frage.
Der juristische Aspekt: Unlauterer Wettbewerb?
Die Krombacher Brauerei hat im Juni 2002 bereits eine einstweilige Verfügung wegen unlauteren Wettbewerbs kassiert (Landgericht Siegen Az. 7 O 72/02, 80/02; siehe Newsletter III/2002 der Hannoveraner Anwaltskanzlei Pörtner & Kassebeer, Seite 4). Auch das OLG Hamm, an dem die Brauerei dann in Berufung ging, schloß sich dem Urteil der ersten Instanz an (Az. 4 U 109/02); dieses Verbot versuchte Krombacher aber durch leichte Änderungen (die angeblich zu mehr, für meine Begriffe aber zu noch weniger Transparenz führten, siehe oben). Interessant ist die mittlerweile nur noch archivarisch verfügbare Mitteilung der Brauerei hierzu, die ganz offensichtlich durch wildes Kürzen aus einem oder mehreren längeren Texten entstanden ist. Nett muten auch entsprechende Passagen aus der Pressemitteilung zum Ende des Projekts 2003 an: »Man vertritt seitens der Brauerei eine andere Rechtsauffassung« – und natürlich darf auch der heutzutage übliche, wenn auch völlig schwachsinnige Verweis auf das »Recht auf freie Meinungsäußerung« nicht fehlen.
Wie bereits zu erwarten war, wurde die Krombacher-Kampagne auch 2003 wieder verboten, wenn auch leider zu spät (Landgericht Siegen, 7. August). Auch diese Entscheidung wurde in zweiter Instanz bestätigt (OLG Hamm, Az. 4 U 105/03).
Die Krombacher Brauerei hält ihr Anliegen für so wichtig, daß dazu unbedingt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich ist. Das heißt also: Fortsetzung folgt …
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